Öffentliche Bücherei der Gemeinde Telfes im Stubai

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Villa Klestiel

Bezeichnung Wert
Titel
Villa Klestiel
Untertitel
Roman
Verfasserangabe
Gabriele Weingartner
Medienart
Sprache
Person
Auflage
2.Aufl.
Verlag
Ort
Innsbruck
Jahr
Umfang
247 S.
ISBN13
978-3-902534-50-7
Schlagwort
Annotation
Ein Genre-Roman erzählt vor allem einmal sich selber, wie etwa die Fliesen ein Badezimmer erzählen. So ist im Prinzip jeder Hotel-Roman gleich gestaltet, obwohl jeder natürlich unverwechselbar originär sein mag. Und mit dem Villen-Roman verhält es sich ähnlich. Gabriele Weingartners Roman Villa Klestiel ist auf den ersten Blick so etwas wie Vicky Baums "Menschen im Hotel", nur dass sich die Begegnungen und Reibereien in einer Villa abspielen. In die Villa Klestiel, deren Erbauer unter den Nazis emigrieren musste, sind um die Jahrtausendwende Seniorinnen und Senioren eingezogen. Sie sind sich einerseits der historischen Einordnung der Villa bewusst, andererseits repräsentieren sie selbst jeweils ein halbes Jahrhundert Zeitgeschichte. In der Senioren WG sind so gut wie alle kreativen Berufsgruppen vertreten und alle bemühen sich, mit dem finalen Lebensabschnitt zurechtzukommen. "Wer sagt, dass die Senioren nur beim Sommerfest die Sau heraus lassen?" (23) In losen Gesprächen, bei spontanen Zusammenkünften oder bei strategisch durchgeplanten Hauswerkereien erzählen die Figuren Blitzlichter aus ihrer Vergangenheit, ihre Liebschaften und Enttäuschungen, ihre diversen Familienmodelle, ihre Reisen und Berufe. Während die einen Sport zelebrieren, um geschmeidig zu bleiben, haben andere ihren Körper schon den Fängen der Medizin ausgeliefert und reagieren hellhörig auf ein Wort wie "Tumorwerteverkündigung" (47) Sie alle waren wohl ein Leben lang "Helden, die gegen schwarze Löcher kämpften, ihre Einsamkeit umwehte sie wie eine Gloriole." (46) Und jetzt in der Reife wollen sie sich wie üblicherweise Germanisten und Soziologen mit Ironie gegen den Kummer schützen. Zwischendurch droht die Lebensumgebung alles zu überwuchern und jemand fragt besorgt, ob es ein deutsches Wort für Messie gibt. Am Schluss wird ein Versteck erbrochen und es taucht eine Liste jener Schätze und Bilder auf, die der einstige Besitzer bei seiner Vertreibung hinten lassen musste. Villa Klestiel lässt sich generell als kluge und wohlgesonnene Lebensform in einer Seniorenresidenz lesen. Die einzelnen Schicksale führen die Menschen wieder zu einem abgeklärten Jahrgang zusammen, als der sie einmal aufgeregt in der Jugend in die Welt verstreut worden sind. Wer sich als Leser genauere Hintergrundinformationen besorgt, vermag in den einzelnen Helden im Sinne eines Schlüsselromans echte Biographien aus der Berliner Künstlerszene der Jahrtausendwende herauszulesen. Gabriele Weingartner lässt die Figuren leicht schrullig und eingedellt erscheinen, ohne jemanden zu denunzieren. Wahrscheinlich ist es unser persönlicher Vogel, der von uns am Lebensabend bleibt. - Eine Versöhnung mit dem herunter gestrampelten Leben. Helmuth Schönauer