Öffentliche Bücherei der Gemeinde Telfes im Stubai

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Engel des Vergessens

Bezeichnung Wert
Titel
Engel des Vergessens
Untertitel
Roman
Verfasserangabe
Maja Haderlap
Medienart
Sprache
Person
Auflage
9. Auflage
Verlag
Ort
Göttingen
Jahr
Umfang
287 S.
ISBN13
978-3-8353-0953-1
Annotation
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg ist das Leben in Südkärnten von Gewalt und Tod gezeichnet. (DR) Jedes Jahr wird in Klagenfurt zeitgenössische Literatur präsentiert und mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet. Doch was ist zeitgenössisch? Ist es sprachlich avantgardistisch oder inhaltlich avanciert? Oder ist gerade heuer der Blick auf ein Leben am Rande der deutschen Sprache auszeichnungswürdig? 2011 wurde Maja Haderlap mit einem autobiographischen Roman über ihr Erwachsen- und Bewusstwerden in der Nähe von Eisenkappel/Železna Kapla mit dem Hauptpreis ausgezeichnet. Zunächst zeigt sich das Leben in der Kärntner Bergbauernfamilie idyllisch. Die kleine Ich-Erzählerin hilft der Großmutter im Haushalt, riecht Schmalz und Marmelade in der Speisekammer. Doch Bilder der Vergangenheit sprengen die Harmonie. Schon bald hört sie Erzählungen von Not und Hunger, schließlich auch vom Zweiten Weltkrieg, vom KZ Ravensbrück und von Hinrichtungen. Die grausame Vergangenheit durchdringt das kindliche Erleben; der Tod ist präsent in Gestalt von Verwandten und Nachbarn, die im nahen Wald verraten und ermordet wurden. Die Generationen gehen mit dem Erlebten unterschiedlich um. Die Großmutter schildert frei, was ihr im Konzentrationslager widerfuhr, der Vater – als Kind Kurier der Partisanen – wurde von der deutschen Polizei gefoltert und flüchtet in Alkohol und Suizidversuche. Die Mutter frömmelt und schweigt. So geht die Elterngeneration für das Kind fast verloren. Später, als Gymnasiastin in Klagenfurt – zur Zeit des Ortstafelsturms im Herbst 1972 – und dann als Studentin in Wien, beginnt die 'Mic“ genannte junge Slowenin zunehmend zu reflektieren, die Bürde auf ihr selbst, auf der brüchigen Bauernfamilie und auf dem Kärntner Grenzland. Im Krieg wurden die katholischen Kärntner Slowenen von kommunistischen Partisanen vereinnahmt und später von der deutschsprachigen Mehrheit als Landesverräter angeprangert. Die Geschichte eines solchen Lebens zerfällt auch im Text in Bruchstücke. Maja Haderlap, die bereits einige slowenische Gedichtbände veröffentlichte, gibt das Unsag- und oft auch Unvorstellbare, mit dem das Mädchen zu Hause konfrontiert war, poetisch wieder, verwandelt Erinnerungen an Tod und Gewalt in lyrische Textpassagen. Die auseinanderfließenden Lebenslinien während der Internatszeit in der Landeshauptstadt und beim Studium der Theaterwissenschaften in Wien dramatisieren den Text und nutzen die Vielschichtigkeit des Dialogischen. Schließlich mündet das Buch in essayistische Abschnitte über den Krieg im Frieden, den Tod im Leben und die Minderheit in der Mehrheit. Den Gesamttext umklammert der durchgehende Gebrauch des Präsens: Vergangenes ist nicht vergangen, bevor nicht der 'Engel des Vergessens“ die Spuren der Vergangenheit aus dem Gedächtnis tilgt. Maja Haderlap hat den Bachmann-Preis vor allem mit ergreifendem, bild- und ausdrucksreichem Erzählen in ihrer Zweitsprache gewonnen. *bn* Wolfgang Moser